26. September 2023

HIM AKTUELL | Das Mullah-Regime zeigt Härte

Im September 2022 starb Mahsa Amini in einem Gefängnis im Iran. Ihr Tod löste Massenproteste gegen die herrschenden Mullahs, gegen Unterdrückung und Armut aus. Heute gilt das Regime als geschwächt, reagiert aber noch immer mit Verhaftungen und Todesurteilen. Die Forderung bleibt bestehen: die Iranischen Revolutionsgarden auf die Terrorliste der EU zu setzen.

Am 16. September wurde weltweit der jungen Iranerin Jina Mahsa Amini gedacht, deren Ermordung sich zum ersten Mal jährte. Sie war in Polizeigewahrsam verstorben, wohl in Folge von Misshandlungen wegen Verstoßes gegen die Kleidungsvorschriften. Die daraus resultierende Protestwelle ließ auf Erleichterungen im Hinblick auf die rigiden Regeln für die Frauen hoffen, vielleicht sogar auf einen Regimewechsel. Der Mut der Iranerinnen und Iraner beeindruckte die ganze Welt. Immer wieder riskierten sie Verhaftungen, Misshandlungen, Folter und Todesurteile, um ihr Anliegen „Frau-Leben-Freiheit“ auf die Straße zu tragen. Das Abnehmen des Kopftuchs in der Öffentlichkeit wurde zum Symbol des Freiheitskampfes. Und es gab hoffnungsvolle Signale.

So hieß es im Dezember 2022, die iranische Generalstaatsanwaltschaft habe die Sittenpolizei abgeschafft. Spätestens seit Juli dieses Jahres werden die Sittenwächter jedoch wieder zur Vollstreckung der Kopftuchpflicht eingesetzt, neue und noch härtere Strafen wurden per Gesetz etabliert. Bis September 2023 zählte die in Norwegen ansässige Menschenrechtsorganisation Iran Human Rights knapp 500 vollstreckte Hinrichtungen.

Im Januar dieses Jahres, als die Protestwelle ihren Höhepunkt erreichte, verlieh HIM der in New York lebenden iranischen Aktivistin Masih Alinejad den Preis der Hamburger Initiative für Menschenrechte. Sie hatte durch öffentlichkeitswirksame Online-Kampagnen einen wesentlichen Anteil an den Protesten der iranischen Frauen gegen ihre Unterdrückung. Alinejads Hauptanliegen ist es, Frauen durch ihre Kampagnen eine Stimme zu geben.

Die Überwachungsprogramme des Regimes sind subtiler geworden. Mobilfunkgeräte können geortet werden, um so festzustellen, wer wann an welchem Mobilfunkmast eingeloggt war. Dadurch kann etwa ermittelt werden, wer an einer Demonstration teilgenommen hat. Statt auf eine patrouillierende Sittenpolizei, die durch Gewalt bei Einsätzen möglicherweise unschöne Bilder produziert, scheinen die Behörden jetzt eher auf Videoüberwachung zu setzen. Menschen aus dem Iran berichten, dass etwa Frauen, die ohne Hidschab Auto fahren, bestraft würden und ihr Fahrzeug abgeben müssten.

Es ist wieder leiser geworden im Iran, die Protestformen haben sich geändert.
Eine Zeitlang riefen viele Menschen abends, wenn es dunkel wurde, regimekritische Parolen von Dächern, aus Fenstern und Hochhäusern. So auch am Todestag von Jina Mahsa Amini. Außerdem hat sich eine Form des subtilen Widerstands etabliert: Trotz Schikane und Verfolgung gehen viele Frauen ohne Hidschab auf die Straße. Ein Drittel der Frauen in Teheran tragen kein Kopftuch. Auch Männer verstoßen gegen die Kleiderordnung des Regimes, indem sie in kurzen Hosen auf die Straße gehen. Zudem nehmen Taxifahrer auch Frauen ohne Kopftuch mit, Geschäfte und Restaurants bedienen Frauen ohne Hidschab, obwohl sie damit ihre Lizenzen riskieren. Aufrechterhalten wird der Protest auch durch die Angehörigen der seit Beginn der Demonstrationen Ermordeten, indem sie weiter öffentlich an die Opfer erinnern.

Die Legitimation der islamischen Republik wird zunehmend hinterfragt, die Proteste richten sich auch gegen die Wirtschafts- und Sozialpolitik und Korruption. Etwa 70% der Iraner leben unterhalb der Armutsgrenze. Das Regime lässt sich von den Protesten spürbar beeindrucken, reagiert hilflos mit immer härteren Maßnahmen. Es gilt als geschwächt, ist aber ohne jeden Zweifel bereit, bis zum Letzten zu gehen und verlässt sich diesbezüglich auf die eigens zur Niederschlagung von Protesten im Jahr 1979 gegründete Revolutionsgarde. Im Deutschen Bundestag gibt es Bestrebungen, die Iranische Revolutionsgarde auf die Terrorliste der EU zu setzen.

 

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Kinotipp: Am 14. September ist der Film Sieben Winter in Teheran in den Kinos gestartet. Er schildert das Schicksal der jungen Iranerin Reyhaneh Jabbari, die bei einer versuchten Vergewaltigung ihren Angreifer in Notwehr erstochen hat. Der Fall hat damals internationale Aufmerksamkeit erregt. Die iranische Justiz verwies auf das „Recht auf Blutrache“: Da Reyhaneh ihre Anschuldigungen gegen den Mann nicht zurückzog, durfte seine Familie ihren Tod verlangen. Aber Reyhaneh blieb bei ihrer Aussage und wurde 2014 im Alter von 26 Jahren nach sieben Jahren Haft gehängt. Der Film schildert anrührend und authentisch verschiedene Facetten der Iranischen Gesellschaft.

In einer Pressemitteilung der International Women in Power Organisation anlässlich des Todestages von Jina Mahsa Amini wurden folgende Forderungen insbesondere für die Frauen im Iran und Afghanistan aufgestellt :

• Die Revolutionsgarden auf die Terrorliste zu setzen. Freilassung der Geiseln mit
doppelter Staatsangehörigkeit, Nahid Taghavi & Jamshid Sharmahd
• Die Unterdrückung der Frauen zu stoppen
• Die Hinrichtung von politischen Gefangenen und Homosexuellen zu stoppen
• Kinderehen zu stoppen
• Die Zwangsverschleierung von Frauen zu stoppen
• Abschiebung der gesamten Mitglieder sowie die Schließung des islamischen Zentrums Hamburg (IZH), das als Handlanger für das islamische Regime im Iran agiert
• Trennung von Staat und Religion
• Gleiche Rechte für alle Menschen, unabhängig von ihrer Sexualität, Geschlecht,
Religion und Hautfarbe

Außerdem veröffentlichte der Deutschlandfunk: Todestag von Jina Mahsa Amini – Wo steht der Iran ein Jahr nach Beginn der Proteste?

Auch die New York Times veröffentlichte ein ‚Guest Essay‘ von Narges Mohammadi (The New York Times, International Edition, September 19,202: The more they lock us up, the stronger we become (paywall)